Dipl.-Ing., Dipl.-Physiker Manfred Schrodt, Gecksbergstr.2 in 34123 Kassel, Sachverständiger für Straßenverkehrsunfälle, Beratender Ingenieur der Ingenieurkammer Hessen
Das Abkühlverhalten von Fahrzeugteilen – Teil 2 : Die Motorhaube
- Problematik
Im Heft 9 des Jahrganges 1998 wurden verschiedene Fahrzeugteile eines nach längerer Fahrt abgestellten Fahrzeuges auf deren objektive und subjektive Wärmeabgabe untersucht und das Ergebnis vorgestellt.
Damals wurde der hintere Auspufftopf als der ideale Messort mit der Hand zur Bestimmung der Standzeit eines Fahrzeuges in der ersten Stunde festgestellt.
Leider hält sich – aus vielen Gründen – kaum jemand an diese Messmethode; es wird im Vorfeld der forensischen Tätigkeit immer noch durch Handauflegen auf die Motorhaube geprüft, ob diese kalt oder warm ist und daraus werden Rückschlüsse auf die Dauer der Standzeit des Fahrzeuges gezogen.
Da bleibt dem Sachverständigen nichts anderes übrig als sich dieser Vorgehensweise anzupassen und seine Erfahrungen mit dieser Messmethode zu sammeln.
Deshalb wurden von mir verschiedene Messreihen mit verschiedenen Pkw durchgeführt und letzten Endes wurde auch ein gerichtsverwertbares Ergebnis erzielt.
Da sich die Außentemperatur sowie die Windgeschwindigkeiten am zu untersuchenden Tag leicht durch eine Auskunft des Deutschen Wetterdienstes feststellen lassen und der Standort des fraglichen Pkw anhand der Örtlichkeit bekannt ist, soll diese Untersuchung unter Beachtung der Parameter Wind, Außentemperatur, Standort und Fahrzeugtyp durchgeführt werden.
- Versuchsdurchführung und verwendete Fahrzeuge
Es wurden mehrere Fahrzeugtypen mit Dieselmotoren und Ottomotoren untersucht. Insbesondere wird hier ein VW Passat TDI 1,9 mit gekapseltem Dieselmotor und ein Mercedes SLK 320 mit relativ großem Ottomotor ohne nennenswerte Geräusch- oder Wärmedämmung untersucht.
Ebenso wurden mehrere Messreihen mit unterschiedlichem Standort der Fahrzeuge aufgenommen. So wurde in der geschlossenen Garage, in einer recht freien Umgebung an der Straße und in einer recht geschützten Lage untersucht und gemessen. Dazu wurden Messfühler in der Mitte der Motorhaube angebracht und der Temperaturverlauf über der Zeit nach dem Abstellen objektiv gemessen. Die Fahrzeuge wurden vor der Messung auf der Autobahn über 50 bis 80 km warm gefahren, so dass eine maximale Anpassung an die oberen Temperaturpunkte vorlag. Die Außentemperaturen lagen im Bereich von 3 °C bis zu 10 °C.
Natürlich wurde parallel zur objektiven Messung mit den Temperaturfühlern eine subjektive Messung durch Handauflegen auf die Motorhaube vorgenommen.
Als Vergleichsmaßstab bei der Handmessung wurde das Dach des jeweiligen Fahrzeuges verwendet: zunächst wurde die Hand auf das Dach gelegt und somit dessen Temperatur festgestellt und dann die Motorhaube mit der gleichen Hand geprüft. So konnte eine eventuelle Temperaturdifferenz leicht festgestellt werden.
- Messergebnisse
Eine typische Messkurve des Temperaturverlaufes in der Mitte der Motorhaube eines im Freien abgestellten VW Passat 1,9 TDI bei einem leichten Wind von etwa 2 m/s bei leicht ansteigender Außentemperatur von 6 °C auf 12 °C wird in Bild 1 gezeigt.
Bei einer anfänglichen Umgebungstemperatur von 6 °C dauert es etwa 30 Minuten bis der subjektiv durch Handauflegen gemessene Eindruck der kalten Motorhaube sich in einen Eindruck einer warmen Motorhaube wandelt. Erst nach etwa 30 Minuten hat also der unter der Motorhaube liegende Motorblock soviel Wärme nach oben abgegeben, dass die vorher auf Umgebungstemperatur befindliche Motorhaube sich spürbar warm anfühlte. Zu Beginn des Abstellens fühlt sich die Motorhaube also noch für etwa 30 Minuten kalt an!
Dann beginnt die Phase der „subjektiv warm“ gefühlten Motorhaube in Bild 1. Diese Phase erstreckt sich bei den genannten Parametern bis etwa 120 Minuten nach dem Abstellen des Fahrzeuges.
Die Temperaturdifferenz zur Umgebungstemperatur betrug nach 120 Minuten noch immer gemessene 6 Grad. Mit der Hand war diese Temperaturdifferenz jedoch nicht mehr subjektiv feststellbar. Dies wurde durch mehrere Versuchspersonen verifiziert.
Diesen subjektiv bei der Handmessung als warm empfundenen Zeitraum nenne ich hier im weiteren „subjektive Warmzeit“
In ähnlicher Form verlaufen sämtliche Messkurven aller Fahrzeuge. Zunächst liegt ein Anstieg der Motorhaubentemperatur nach dem Abstellen des Fahrzeuges innerhalb von 15 Minuten beim Ottomotor bis 30 Minuten beim gekapselten Dieselmotor auf subjektiv fühlbare Erwärmung vor. Danach folgt eine deutlich feststellbare subjektive Warmzeit, und schließlich kann keine Temperaturdifferenz zur Umgebung mehr festgestellt werden.
Um eine gerichtsverwertbare Aussage zur Abstellzeit eines Pkw treffen zu können, wurden diese Messreihen bei Außentemperaturen von 3 °C bis zu 10 °C durchgeführt.
Die entsprechende subjektive Warmzeit in Abhängigkeit von der Außentemperatur zeigt Bild 2.
Feststellbar ist, dass bei leichtem Wind und freiem Standort des Pkw eine subjektive Warmzeit bei einer Außentemperatur von 3 °C von etwa 75 Minuten vorliegt. Diese subjektive Warmzeit steigt bei einer Außentemperatur von 10 °C bis auf 180 Minuten an beim gleichen Fahrzeug und Standort. Bezeichnend ist noch, dass die untersuchten verschiedenen Fahrzeuge erheblich geringere Streuungen in diese subjektive Messung bringen als die menschliche Hand.
Die Messreihe in Bild 2 gilt für alle von uns untersuchten Pkw mit Diesel- und Ottomotoren in ausreichender Genauigkeit.
Wichtig ist noch die Untersuchung in einer sehr geschützten Lage des Pkw hinter hohen Hecken oder direkt an der windabgewandten Seite eines Hauses: bei diesem Standort werden subjektive Warmzeiten von mindestens 2 Stunden auch bei Außentemperaturen von 4 °C bis 6 °C gefühlt. Die Größe der Windgeschwindigkeit spielt eine wichtige Rolle: bei Windstille liegt eine erheblich längere subjektive Warmzeit vor als bei leichtem oder starkem Wind. Deshalb spielt auch der Abstellort des Pkw in einer geschützten oder nicht so geschützten Position eine wichtige Rolle in der Vorbereitung. Kurz zusammengefasst kann man dazu sagen, dass eine geschützte Lage die subjektive Warmzeit verlängert und ein stärkerer Wind die subjektive Warmzeit verkürzt.
In Garagen werden subjektive Warmzeiten – nahezu unabhängig von der Außentemperatur – von durchaus 4 bis 5 Stunden gefühlt.
- Anwendung in der Praxis
Da sich über den Deutschen Wetterdienst die Außenparameter leicht ermitteln lassen und eine Zeugenaussage zum Zustand der gefühlten Motorhaubentemperatur im allgemeinen ebenfalls vorliegt, lässt sich daraus die Zeitspanne der Standzeit des fraglichen Pkw eingrenzen. Die von mir gemessenen subjektiven Warmzeiten können als Grundlage der forensischen Tätigkeit verwendet werden. So bedeutet eine subjektiv warm gefühlte Motorhaube eines im Freien bei 8 °C stehenden Fahrzeuges bei leichtem Wind, dass dieses bereits seit etwa 30 bis 120 Minuten steht, keinesfalls kürzer oder länger. Bei Windstille oder einem sehr geschützten Abstellplatz kann sich die Standzeit dieses Fahrzeuges bei gleichen sonstigen Parametern auf bis zu 150 Minuten erhöhen.
Der vor Ort tätige Polizeibeamte kann – sofern er nicht die Messmethode am Auspufftopf verwenden will – durch einfaches Vergleichen der Motorhaubentemperatur des Pkw mit dessen Dachtemperatur durch das Auflegen seiner Hand eine verwertbare Feststellung treffen.
- Zusammenfassung
Anhand von objektiven und subjektiven Messungen durch Handauflegen auf die Motorhaube wurde untersucht, wie lange sich eine subjektive Warmzeit einer Motorhaube feststellen lässt. Dazu wurden Otto- und Dieselmotoren an Fahrzeugen der Baujahre 2000 untersucht, die alle zuvor gut warmgefahren und dann an unterschiedlichen Positionen abgestellt wurden. Die Außentemperaturen lagen im Bereich von 3 °C bis 10°C. Es wurden Abkühlzeiten verschiedener Fahrzeuge zusammengefasst, um eine verwertbare Aussage über die subjektive Warmzeit in Abhängigkeit von der Außentemperatur, dem Wind und dem Abstellplatz des Pkw machen zu können. Eine einfache und doch sichere Eingrenzung des Abstellzeitraumes im Bereich von 30 Minuten bis zu 2 oder 3 Stunden anhand einer Kurve in Bild 2 ist damit möglich.